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67. Gewerbliche Winterkonferenz

Die alternde Gesellschaft und ihre Folgen

Parkhotel Silvretta Klosters 13. – 15. Januar 2016

Die 67. Gewerbliche Winterkonferenz fand vom 13. bis zum 15. Januar 2016 in Klosters statt und setzte sich mit der alternden Gesellschaft und den Folgen auseinander. Beleuchtet wurde die bedeutsame Thematik aus drei speziellen Blickwinkeln: Die Bildung, die Altersvorsorge und der Arbeitsmarkt.

Eröffnet wurde die Winterkonferenz durch sgv-Präsident Jean-François Rime, der im heissen Stuuhl Patrik Müller, Chefredaktor der Schweiz am Sonntag, Red und Antwort stand und sich speziell zu den wichtigen Herausforderungen in der neuen Legislatur äusserte.

Am Donnerstag Vormittag fokussierten sich die Referate auf den Aspekt der Bildung, der Lehre und der höheren Berufsbildung. Abgeschlossen wird der Morgen durch eine Podiumsdiskussion mit Bildungsexperten.

Am Donnerstag Abend stand der Aspekt der Altersvorsorge im Vordergrund. Frank Uwe Schäffler (Denkfabrik Prometheus, Berln / ehem. Bundestagsmitglied FDP) gewärte einen Blick auf die Situation in Deutschland . Nach der aktuellen Stand­ort­bestimmung durch sgv-Vizedirektor Kurt Gfeller setzte sich ein Podium mit der Frage "Altersreform 2020 - wer soll das bezahlen?" auseinander (Moderation Dominik Feusi, Basler Zeitung).

Programm Gewerbliche Winterkonferenz 2016
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Rahmenprogramm Gewerbliche Winterkonferenz 2016
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News aus Klosters

Mittwoch, 13. Januar 2016

„Klosters 2016“ ist im Gang

Die 67. Gewerbliche Winterkonferenz des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv im Silvretta Parkhotel in Klosters ist eröffnet. Bis zum Freitag, 15. Januar werden die alternde Gesellschaft und ihre Folgen Thema der dreitägigen Veranstaltung mit Spitzenvertretern der kantonalen Verbände, der Branchenverbände und der nationalen Politik sein.

Auftakt geglückt

Auf dem „Heissen Stuhl“ stellte sich sgv-Präsident Nationalrat Jean-François Rime zum Auftakt den Fragen von Patrick Müller, Chefredaktor „Schweiz am Sonntag“. Gefragt nach seinen Wünschen fürs neue Jahr sagte Rime, als erstes müsse am 28. Februar ein JA zur zweiten Röhre am Gotthard erreicht werden. Die Abstimmung sei für die Schweiz nicht nur deshalb wichtig, weil es um den Zusammenhang des Landes gehe. „Wir dürfen nicht das Tessin über Jahre vom Rest der Schweiz isolieren!“ Die von den Gegnern verlangten gigantischen Verladestationen wolle niemand, und „die dafür nötigen Investitionen wären verlorenes Geld“.

Zu den Herausforderungen der neuen Legislatur zählt der Gewerbepräsident die Altersreform 2020, die Unternehmenssteuerreform III, die Energiestrategie 2050 und die Frage, wie die Schweiz die Mobilität sicherstellen kann.

„Schwacher Euro, nicht starker Franken“

Ein Jahr nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses stellte Rime fest, dass „nicht der Franken stark, sondern der Euro schwach“ sei. Die Mitglieder des Dachverbands sgv seien unterschiedlich stark von den Währungsturbulenzen betroffen. Umso wichtiger sei der Kampf des Gewerbeverbands zur Senkung unnötiger Regulierungen. Dazu müsse beim Staat – und zwar auf allen Ebenen – überall dort gespart werden, wo dies möglich sei. Das nach rechts gerückte neue Parlament biete die Chance, Mehrheiten für eine Verbesserung zugunsten der KMU und des Gewerbes zu finden, gab sich Nationalrat Rime überzeugt.

Schwerpunkt Bildung...

Schwerpunktthemen vom Donnerstag, 14. Januar, sind Bildung und Altersvorsorge. Zum Auftakt wird Tagesanzeiger-Kolumnist und Gymnasiallehrer Andreas Pfister „konstruktive Kritik an der heiligen Schweizer Kuh Berufslehre“ üben – und dafür plädieren, den Graben zwischen Lehre und Gymnasium zu verkleinern. Die Sicht der Praxis einbringen werden VSEI-Direktor Simon Hämmerli und Unternehmer Livio Corduri, bevor sgv-Vizedirektorin Christine Davatz mit Pfister, Hämmerli, SBFI-Direktor Josef Widmer und travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich auf dem Podium die Klingen kreuzt.

...und Altersvorsorge

Als „Blick über den Tellerrand“ angekündigt ist das Referat zur Situation der Altersvorsorge in Deutschland. Referent Frank Uwe Schäffler (FDP) war Mitglied des Deutschen Bundestages und ist heute Geschäftsführer der Denkfabrik Prometheus in Berlin. Das Freiheitsinstitut Prometheus widmet sich der Verbreitung freiheitlichen Denkens und hat zum Ziel, den Wert der Selbstverantwortung in der Gesellschaft zu stärken.

Nach einer aktuellen Standortbestimmung von sgv-Vizedirektor Kurt Gfeller werden zur Altersreform 2020 diskutieren: Die Nationalräte Thomas de Courten (SVP) und Hans-Ulrich Bigler (FDP/Direktor sgv), Nationalrätin Ruth Humbel (CVP) sowie Ständerat Paul Rechsteiner (SP).

Arbeitsmarkt der Zukunft

Der Arbeitsmarkt der Zukunft steht am Freitag im Zentrum des Interesses. Professor Andreas Beerli von der KOF ETH Zürich wird Chancen und Risiken beleuchten und swissstaffing-Direktorin Myra Fischer-Rosinger geht der Frage nach, inwiefern der vielseits beklagte Fachkräftemangel „Realität oder Mythos“ ist.

In der anschliessenden Podiumsdiskussion wird der Arbeitsmarkt aus Sicht von Arbeitnehmenden, Experten, Unternehmern und Politik betrachtet. Teilnehmen werden Vania Aleva (Präsidentin Gewerkschaft unia), Gian-Luca Lardi (Unternehmer und Präsident Schweizerischer Baumeisterverband), Michel Pernet (Präsident Verband Kreativwirtschaft Schweiz) und Oliver Rosa, Begründer der Swiss Music Awards.

Mit Schweiss zum Erfolg

Fundierte Ausbildung, erfolgreiches Unternehmertum und Gesundheit im Alter: Dies alles vereint der 75-jährige Schweizer Fitnesspapst Werner Kieser. Unter dem Titel „Vom Schrottplatz zum Konzern“ wird der Zürcher zum Abschluss von „Klosters 2016“ auf der Madrisa aufzeigen, wie Schweiss – der eigene und jener von anderen – in Erfolg umgemünzt werden kann.

Die 67. Austragung der Gewerblichen Winterkonferenz des sgv verspricht damit einmal mehr einen spannenden Mix aus aktuellen Informationen und Diskussionen über gewerberelevante Themen – und ist damit ein Ort, wo die gezielte Pflege von persönlichen Beziehungen einhergeht mit intensivem Networking und dem direkten Austausch zwischen Wirtschaft und Politik.


Donnerstag, 14. Januar 2016

Es braucht beides: Berufslehre und Gymnasium

Tagesanzeiger-Kolumnist Andreas Pfister eröffnete an der 67. Gewerblichen Winterkonferenz am Donnerstagmorgen den Programmpunkt Bildung mit einem kritischen Blick auf die Berufslehre. In fünf Thesen verteidigte der Gymnasiallehrer den unter Druck geratenen akademischen Weg. Seiner Meinung nach braucht es mehr Hochqualifizierte. Die Schweiz bilde nur einen Teil ihrer Hochqualifizierten selber aus und müsse dies künftig vermehrt selber tun. Dabei gehe es ihm um die Wettbewerbsfähigkeit. Eine Fachkräfte-Initiative solle in erster Linie eine Bildungsoffensive sein. Diese umfasse allerdings sowohl die gymnasiale als auch die Berufsmaturität: „Es braucht beides: Sowohl die gymnasiale als auch die berufliche Maturitätsquote sollten erhöht werden. Berufsmaturität und Fachhochschulen haben den dualen Weg zusätzlich zur höheren Berufsbildung aufgewertet“, so Pfister. Allerdings dürfe das Wachstum der Berufsmaturität nicht zulasten des Gymnasiums gehen. „Beide können wachsen, unter den Jugendlichen gibt es Potenzial genug“, sagte Pfister. Die Berufsmaturität sei ein starkes Konzept – trotzdem müssten kritische Fragen erlaubt sein. Zu den grossen Herausforderungen der Berufsbildung zählt Pfister nebst dem Strukturwandel hin zum Dienstleistungssektor, der Global-isierung und den damit verbundenen Titelfragen die meist abwertend verstandene Akademisierung. Das Ziel bleibe jedoch Chancengleichheit, korrigierte Pfister seine provokative Haltung gegenüber der Berufslehre: „Die Berufsmaturität hat dazu beigetragen, den Graben zwischen Lehre und Gymnasium zu verkleinern. Das ist ein wichtiger Schritt.“

Handwerklichem Aspekt mehr Bedeutung schenken

Als Vollblutvertreter der Berufslehre diskutierten Simon Hämmerli, Direktor des Verbands Schweizer Elektro-Installationsfirmen VSEI, sowie der Unternehmer Livio Coduri. Für Hämmerli gibt es in jedem Beruf hochqualifizierte Fachkräfte. Allerdings müsse man, um dem Problem der zu wenig qualifizierten Lernenden abzuhelfen, den Weg der Berufs­prüfung und höheren Fachprüfung ebenso bewerben wie einen Universitätsabschluss. „Wir verlieren zunehmend die Werterhaltung des handwerklichen Aspektes. Dieser sollte in der Grundschule wieder mehr einfliessen“, forderte Hämmerli. In dieselbe Kerbe schlug Coduri, wenn er die Qualitätsanforderungen erhöhen will, um die Imageprobleme der Berufslehre zu mindern. Dabei verwies er auf Deutschland, das den Beruf des Pflästerers aus Mangel an Interessen abgeschafft hat. „Dies hat riesige finanzielle Schäden angerichtet, denn ein Strassenbauer ist kein Pflästerer.“

sgv setzt sich für die Finanzierung der HBB ein

Christine Davatz, sgv-Vizedirektorin und Bildungsverantwortliche, hob den grossen Stellenwert der höheren Berufsbildung HBB im dualen Berufsbildungssystem hervor. Dabei verwies sie aber auch auf die zahlreichen Lippenbekenntnisse, welche eine effiziente Weiterentwicklung massiv behindern: „Das Ausland bewundert zwar unsere Grundbildung, die ebenso wertvolle HBB ist immer noch unbekannt. Ihre Titel sind kaum verständlich und die bessere Finanzierung ist trotz den lobenden Worten von Bundesrat Schneider-Ammann noch längst nicht gesichert. „Der sgv werde sich auf jeden Fall dafür einsetzen, dass das neue Finanzierungssystem nicht zu lasten der Trägerorganisationen respektive der Organisationen der Arbeitswelt OdA gehe, versprach Davatz. “Die Lösungssuche muss schneller angegangen werden als geplant“, so Davatz. Im Namen der Gleichwertigkeit setze sich der sgv auch weiter für die schon so lange geforderten zusätzlichen 400 Millionen Franken für die HBB ein. In der Titelfrage kämpfe der sgv ebenso weiter: "Wir prüfen zurzeit mit den umliegenden deutschsprachigen Ländern, ob wir nicht über die EU zu den adäquaten Titeln kommen“, so Davatz.

Podiums-Diskussion

Am anschliessenden Podium war man sich einig, dass der Nachwuchs künftig gut ausgebildet sein müsse. Für Josef Widmer, stellvertretender Direktor des Staatssekretariates für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, hat die Berufslehre eine Zukunft mit viel Potenzial: „Auch wenn sich Berufe im Trend der Digitalisierung verändern, können sie sich gut anpassen, gerade weil sie nahe am Arbeitsmarkt sind.“ Für ihn ist allerdings eine gute Berufswahlvorbereitung zentral, gerade um den Mangel nach qualifizierten Lernenden zu beheben. „ Ab der 6. Klassen brauchen wir eine gute Berufswahlvorbereitung, damit die Schulabgänger nach ihrer Eignung und Neigungen am richtigen Ort Karriere machen können“, ist Adrian Wüthrich, Präsident travailesuisse überzeugt. Es brauche auch unbedingt Leute aus der Wirtschaft – Unternehmer, welche dem Nachwuchs Attraktivität und Möglichkeiten der Berufslehre vorstellten. Hier seien auch die Kantone gefragt“, so Widmer.

Besichtigung Institut für Schnee- & Lawinenforschung SLF Davos


Wie weiter mit AHV und BVG?

Zum Auftakt der „Auslegeordnung Altersvorsorge“ präsentierte der frühere deutsche FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Uwe Schäffler einen Blick in die triste Realität der deutschen Sozialpolitik. Schäffler bezeichnete Deutschland als „zutiefst sozialistisches Land“, das, „besoffen durch Schweinwohlstand“, sich immer schneller in Richtung eines staatlich kontrollierten Wirtschaftssystems bewege.

Mit rund 80 Milliarden Euro jährlich würden Renten von durchschnittlich 800 Euro für Männer und 600 Euro für Frauen auf ca. 1300 Euro erhöht. Das Ziel sei, rund 44 Prozent des zuletzt erwirtschafteten Einkommens als Rente auzuzahlen. „Tatsächlich liegt die Zahl tiefer.“

Steuern und Abgaben fressen laut Schäffler rund 40 Prozent des Einkommens weg. „Das deutsche Steuerrecht diskriminiert das Sparen“, stellte der Geschäftsführer der liberalen Berliner Denkfabrik „Prometheus“ fest. Schäffler plädierte für ein „gerechtes Steuersystem“, in dem Menschen statt jährlich über ihre ganze Lebensspanne und ohne Progression besteuert werden sollten. Statt durch Mehrfachbesteuerung das Sparen zu bestrafen, solle der Staat beim Konsum ansetzen, auf Anlagevorschriften verzichten und den Individuen – mit der verbindlichen Vorgabe des Verzichts auf jeglichen späteren Anspruch auf Sozialdienstgelder – den Entscheid überlassen, wann sie in Rente gehen wollten. Jeder Mensch müsse für sich selber definieren, wie sein Kapital erhalten oder vermehrt werden könne, so Schäfflers Vision. Die Realität aber sehe anders aus: Indem der Staat – entgegen der Tatsachen – eine niedrige Steuerlast suggeriere, verschleiere er, dass er seine Bürger anhaltend stark schröpfe, um selber nicht sparen zu müssen.

Kein Ausbau der AHV

sgv-Vizedirektor und Sozialversicherungsexperte Kurt Gfeller lenkte den Blick zurück auf die Schweiz. Hier ist es mehr als 20 Jahre her, seit 1995 zuletzt eine Rentenreform realisiert worden ist. Seither haben sich die Probleme im Schweizer Rentensystem drastisch verschärft. Die weiterhin stark steigende Lebenserwartung in Kombination mit einer wachsenden Rentnerschar bei rückläufigen Beitragszahlern und dramatisch gesunkenen Zinserträgen führten dazu, dass das Kapital der AHV „früher der später“ aufgebraucht sein werde. Eine Sanierung der ersten Säule sei daher zwingend, so Gfeller. Mehr Zuwanderung löse das Problem nicht; es werde bloss in die Zukunft verschoben. Mehr Wirtschaftswachstum könne nicht verordnet werden, Rentenkürzungen seien politisch chancenlos und Mehreinnahmen hätten negative Auswirkungen auf Bevölkerung und Wirtschaft zugleich.

Was also tun? Während der Bundesrat im Rahmen der Altersreform 2020 vor allem auf Mehreinnahmen setzt, verlangt der Schweizerische Gewerbeverband, dass auch eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters kein Tabu sein darf. Bei einer allfälligen Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf maximal 0,6 Prozent signalisierte der sgv-Rentenexperte Kompromissbereitschaft, während er der Forderung nach höheren Lohnprozenten eine kategorische Absage erteilte. Ebenfalls ein „Njet“ gibt’s vom sgv zum Vorschlag aus dem Ständerat nach einer Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken.

In der 2. Säule plädierte Gfeller für eine Senkung des Umwandlungssatzes von heute 6,8 auf 6 Prozent. Um den heutigen Stand zu halten, wären Kapitalrenditen von knapp 5 Prozent nötig – in Zeiten von Negativzinsen ein völlig utopisches Ziel.

„Bitte mehr Ehrlichkeit“

Unter der Leitung von Dominik Feusi (Basler Zeitung) diskutierten anschliessend die Nationalräte Thomas de Courten (SVP) und Hans-Ulrich Bigler (FDP/Direktor sgv), Nationalrätin Ruth Humbel (CVP) sowie Gewerkschaftsbund-Präsident Ständerat Paul Rechsteiner (SP) über die Zukunft der Altersvorsorge. Nach einer ausgiebigen Zahlenschlacht um MWSt-und Lohnprozente blieb den Zuhörern in Erinnerung: Es geht um unser Geld! Und um die Frage, wie wir nach dem Ausscheiden aus der Arbeitswelt unsere alten Tage verbringen werden.

Paul Rechsteiner verteidigte die Anhebung der AHV-Renten um 70 Franken; bei einer Anhebung des Rentenalters für Frauen und einer Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule komme es andernfalls zu Renteneinbussen, was die Bevölkerung nicht akzeptieren werde. „Jede Reform muss die Renten garantieren, sonst ist sie zum Scheitern verurteilt“, sagte der SGB-Boss.

Ruth Humbel bezeichnete den ständerätliche Kompromiss als „gute Ausgangslage“ für die Diskussion im Nationalrat. Eine Erhöhung des Rentenalters habe in ihren Augen heute keine Chance, sie solle daher auf eine nächste Reform verschoben werden.
„Sie wollen also diese heisse Polit-Kartoffel an die nächste Generation weiterreichen“, kritisierte sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler und skizzierte den vom Gewerbeverband erarbeiteten und von de Courten im Nationalrat eingebrachten Vorschlag: Eine schrittweise Erhöhung – später allenfalls auch eine Senkung – des Rentenalters in Abhängigkeit vom Finanzierungsgrad des AHV-Fonds.

„Dieses Vorgehen ist sozial verträglich“, sekundierte Thomas de Courten und verlangte gleichzeitig „mehr Ehrlichkeit“ gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. „Eine höhere Lebenserwartung heisst auch, dass länger gearbeitet werden muss.“ Zusätzliches Geld alleine führe nur dazu, dass bestehende Probleme überdeckt würden. De Courten sprach sich damit auch klar gegen eine Erhöhung der AHV-Renten aus: „Das können wir uns schlicht nicht leisten!“

Auch Bigler stellte klar, dass die Vorschläge aus dem Ständerat den Interessen des Gewerbes nicht entsprechen. Die einseitige Konzentration auf Mehreinnahmen in der bundesrätlichen Vorlage sei ebenso abzulehnen. Hingegen sei es durchaus sinnvoll, die Probleme in der AHV und im BVG gemeinsam unter die Lupe zu nehmen. Gefragt seien aber nicht in erster Linie rasche, sondern vor allem nachhaltige Lösungen. Konkret heisse dies: „Ohne Anpassungen beim Rentenalter sind auch keine Anpassungen bei der MWSt möglich.“


Freitag, 15. Januar 2016

Dem Wandel anpassen – bitte schnell!

Der Arbeitsmarkt der Zukunft, der Fachkräftemangel und die rasch voranschreitende Digitalisierung der (Arbeits-) Welt: Dies die Themen der 67. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters am Freitag.

Skepsis bei Katastrophenmeldungen

Professor Andreas Beerli von der KOF ETH Zürich beleuchtete Chancen und Risiken von Digitalisierung, Globalisierung und Immigration. Katastrophenmeldungen, wie sie in den Medien vermehrt verbreitet werden, empfahl Beerli mit Skepsis zu begegnen. Wie bereits in der in der Industriellen Revolution nicht alle automatisch arbeitslos geworden seien, bestehe auch angesichts der Digitalisierung kein Grund zur Panik.

Entscheidend seien drei Faktoren. Medien legten den Fokus häufig einzig auf die Substitution, also die Frage, in welchen Tätigkeiten Menschen von Robotern resp. Computern ersetzt werden könnten. Die Frage nach der Komplementarität – wo und wie können Maschinen uns unterstützen – und nach den Veränderungen bei Preisen und Einkommen blieben oft unerwähnt.

Beerli beobachtet eine Polarisierung bei Erwerbstätigkeit und Lohnverteilung. Berufe mit einem hohen Grad an Routine werden weniger nachgefragt, während bei manuellen, tief qualifizierten Arbeitskräften eine leichte und bei abstrakten, interaktiven und kreativen Tätigkeiten eine starke Zunahme der Nachfrage zu verzeichnen sei. Eindeutige Verlierer des Einzugs der Computer in der Arbeitswelt ab 1980 seien Bürokräfte sowie handwerkliche Berufe mit einem hohen Grad an Routinetätigkeiten.

Entsprechend werde vor allem bei den niedrig und den hoch Qualifizierten ein Lohnanstieg registriert, während die Löhne der „Verlierer“ nur leicht gestiegen seien. Beerli plädierte dafür, komplementäre Fähigkeiten wie Problemlösungen, Kreativität, Kommunikation und Kundenorientierung zu fördern, um die Folgen der Digitalisierung abzufedern.

Mehr Bildung und Innovation

Der oft beklagte Fachkräftemangel ist für Myra Fischer-Rosinger sowohl Realität als auch Mythos. In erster Linie beobachtet die Direktorin des Verbands der Personaldienstleister swissstaffing ein Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt. Während „Fortschritts-Verlierer“ aus dem Arbeitsmarkt fallen, fehlen der Wirtschaft infolge des Strukturwandels die nötigen Spezialisten. In diesem „Mismatch“ ortet Fischer „gesellschaftlichen Sprengstoff“. Es entstehe ein Misstrauen gegenüber der Wirtschaft. Diese könne Vertrauen zurück gewinnen, indem sie etwa das Inländerpotenzial besser ausschöpfe. Dafür müssten vorhandene und das benötigte Qualifikationen abgeglichen werden.

Fischer warnte aber davor, die hervorragende Wettbewerbsposition der Schweiz zu untergraben, indem der liberale Arbeitsmarkt – Stichworte: Ausbau des Kündigungsschutzes oder der flankierenden Massnahmen (FlaM). – ausgehebelt werde. Vielmehr müsse verstärkt in Bildung und Innovation investiert werden.

Die Schweiz ist keine Insel

Für eine spannende Podiumsdiskussion sorgten unter Leitung von Martina Fehr (Chefredaktorin „Südostschweiz“) Vania Aleva (Präsidentin Gewerkschaft unia), Gian-Luca Lardi (Unternehmer und Präsident Schweizerischer Baumeisterverband SBV), Michel Pernet (Präsident Verband Kreativwirtschaft Schweiz) und Oliver Rosa, Begründer der Swiss Music Awards.

Wenig überraschend votierte die Gewerkschafterin Alleva für mehr Regulierung, einen Ausbau der FlaM und für Verschärfungen etwa bei der Solidarhaftung im Baugewerbe.

„Die Schweiz ist keine Insel“, konterte SBV-Präsident Lardi. Zunehmende Regulierungskosten griffen de Konkurrenzfähigkeit der Schweiz an, und die FlaM dürften nicht zur Fessel für die Bauwirtschaft werden. Trotz der Solidarhaftung, die im übrigen einzig und alleine für das Baugewerbe gelte, zeige die Unia weiterhin ständig auf „den Bau“ – mit dem Zweck, immer neue Regulierungen zu verlangen.

Lardi wehrte sich dagegen, angesichts der immer schneller voranschreitenden Veränderungen der Arbeitswelt „immer engere Korsetts zu schnüren“ und verlangte stattdessen mehr Flexibilität, mehr Selbstverantwortung und eine ständige Bereitschaft zur Aus-, Weiter- oder Umbildung: „Nur so kann die Schweiz international wettbewerbsfähig bleiben.“

Das Staunen der „Kreativen“

Für mehr Flexibilität und weniger Regulierung sprach sich auch Kreativwirtschafter Pernet aus. Statt aber die Risiken der Digitalisierung zu fürchten, solle sich die Schweiz auf ihre Stärken besinnen. „Die weltweit am häufigsten benutzten Schriften ‚Helvetica‘ und ‚Frutiger‘ wurden in der Schweiz kreiert“, sagte Pernet und forderte, dass sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber die anstehenden Veränderungen annehmen und sich der Tatsache stellen müssten, dass der Begriff „Arbeit“ als solcher daran sei, seine Bedeutung zu verändern. „Angestellt sein“ könne bald der Vergangenheit angehören. Anstelle von „Stelle“ und „Firma“ trete die Identifikation mit der Arbeit: „Spass und Sinn werden wichtiger als der Lohn“, gab sich Pernet überzeugt.

„In der Musikindustrie ist die Digitalisierung nicht bloss eine Chance, sondern Realität – und das seit 20 Jahren“, stellte Rosa fest.

Angesichts der Diskussionen um die Arbeitszeiterfassung oder uralten Begriffen wie „Überzeit“ frage er sich, ob Gewerkschaften und Arbeitgeber „sich der riesigen Herausforderungen tatsächlich bewusst sind, die uns allen bevorstehen“. Arbeitnehmende müssten nicht vor der Digitalisierung geschützt, sondern vielmehr befähigt werden, damit umzugehen. „Sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber stehen in der Pflicht, sich gemeinsam dem rasant fortschreitenden Wandel anzupassen.“ Pernet und Rosa sind sich einig: Politik, Gewerkschaften und Verbände müssen sehr viel schneller als heute die nötigen Anpassungen vornehmen, soll die Schweiz im internationalen Vergleich nicht in Rückstand geraten.


Ein Kraftakt fürs Alter

Die 67. Gewerbliche Winterkonferenz im mittlerweile tief verschneiten Klosters findet mit einem Referat des Begründers des bekannten Kieser-Trainings einen würdigen Abschluss. Werner Kieser schliesst so mit seiner Unternehmensgeschichte sowie Tipps für ein rüstiges Alter das diesjährige Tagungsthema „Die alternde Gesellschaft – und ihre Folgen“ ab.Kurz und intensivVor 49 Jahren startete der heute 76-jährige Werner Kieser mit seinem Krafttrainingssystem – Fitnessstudios waren damals eine Ausnahme und Trends wie Zumba oder Spinnig Fremdwörter. Aufgewachsen ist der Fitness-Guru im aargauischen Lenzburg. Wie sein Vater liess er sich zum Schreiner ausbilden. In seiner Jugend übte er sich als Boxer. Eine Rippenfellquetschung brachte ihn dann zum Krafttraining und zur Idee, ein eigenes Kraftstudio aufzubauen. 1981 folgten weitere Studios auf Franchise-Basis und der Aufbau seines Imperiums kam ins Rollen.1990 wurde sein erster Betrieb in Deutschland gegründet, mittlerweile finden sich Kieser-Trainings in zahlreich anderen Ländern.

„Trainieren macht keinen Spass, aber glücklich“, ist der Unternehmer überzeugt und „es muss kurz und intensiv sein“. Diese Ansicht vertrete er schon seit über 40 Jahren. Ebenso ist laut Kieser weniger mehr: „Es wird zu viel trainiert. “Das Training führe nicht nur zu einem stärken Rücken und einer besseren, stabileren Gesundheit, sondern verändere die Menschen. „Auf einmal machen sie Sachen, die sie schon lange einmal machen wollten“, stellte Kieser fest.

Gesellschaftlicher Teil auf der Madrisa

Mit einem herzlichen Schlusswort verabschiedete der Freiburger SVP-Nationalrat und sgv-Präsident Jean-François Rime die zahlreichen Gäste und beendete den offiziellen Teil der diesjährigen Winterkonferenz. Mit einer Bergfahrt auf den Hausberg Madrisa klang der Abend bei einem feinen Nachtessen sowie der Möglichkeit zum Netzwerken und Diskutieren aus.

Referate / Präsentationen

Donnerstag, 14. Januar 2016
  • Die Berufslehre stirbt aus - Andreas Pfister/Gymnasiallehrer, Kolumnist Tagesanzeiger - PDF-Datei
  • Höhere Berufsbildung – mehr als Lippenbekenntnisse gefragt - Christine Davatz, Vizedirektorin sgv - PDF / Powerpoint
  • Blick über den Tellerrand – die Situation der Altersvorsorge in Deutschland - Frank Uwe Schäffler FDP / ehem. Mitglied des Deutschen Bundestages, GF Denkfabrik Prometheus, Berlin - Referat (PDF) / Präsentation (Powerpoint / PDF)
  • Altersvorsorge: Aktuelle Standortbestimmung Schweiz - Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv - Powerpoint / PDF
Freitag, 15. Januar 2016
  • Arbeitsmarkt der Zukunft: Chancen und Risiken - Prof. Andreas Beerli, KOF ETH Zürich - PDF
  • Fachkräftemangel – Realität oder Mythos? - Myra Fischer-Rosinger, Direktorin swissstaffing - Powerpoint / PDF
  • Vom Schrottplatz zum Konzern - Werner Kieser, Unternehmer, Zürich - Powerpoint / PDF

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