Gewerbliche Winterkonferenz 2017 | Schweizerischer Gewerbeverband sgv | Dachorganisation der Schweizer KMU

68. Gewerbliche Winterkonferenz

KMU und Innovation – There’s a way to do it better

Parkhotel Silvretta Klosters 11. – 13. Januar 2017

Wie entstehen Innovationen bei KMU? Wie verdienen KMU mit Innovationen Geld? Und kann die Politik Innovation bei KMU unterstützen oder lässt sie besser die Finger davon? KMU und Innovation – das war das Tagungsthema der 68. Gewerblichen Winterkonferenz, welche vom 11. – 13. Januar 2017 in Klosters stattfand.

Programm Gewerbliche Winterkonferenz 2017
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Rahmenprogramm Gewerbliche Winterkonferenz 2017
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News aus Klosters

Mittwoch, 11. Januar 2017

Utopien und Realitäten: Auftakt der 68. Gewerblichen Winterkonferenz

Unternehmerinnen und Unternehmen denken das Unmögliche. Und dann lösen sie alle möglichen Probleme der Wirklichkeit. Visionen und Alltag sind nämlich nicht Widersprüche. Sie leben voneinander.

Der Auftakt der 68. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters wollte auf den Zahn fühlen: Wie können Unternehmerinnen und Unternehmen völlig abstrakte Geschäftsideen entwickeln? Wie können sie sich kreativ verändern? Die Antwort auf all diese Fragen gibt der Innovationscoach Gerriet Danz. «Regeln brechen – aber neue, eigene aufstellen», ist sein Motto. Mit der gezielten Vergrösserung, Verkleinerung, Umdrehung, Kombination oder Umnutzung bestehender Produkte und Geschäftskonzepte lassen sich einfach neue unternehmerische Visionen aufstellen.

Jedes Unternehmen kann es selber probieren. Und wenn man nur einmal in der Woche einmal versucht, die eigenen Aktivitäten kritisch zu überprüfen, schon ist man auf der Kreativitätsspur.

Der Kernpunkt aller Innovation ist aber: «Je mehr Freiheit und Selbstverantwortung man den Mitarbeitenden – und den Kunden – gibt, desto kreativer werden sie. Und sie werden im Sinne des Unternehmens kreativ». Deshalb hält sich der Referent an das Motto der US-amerikanischen Stanford-Universität. Es lautet – und wirklich auf Deutsch und nicht Englisch: «Die Luft der Freiheit weht».

Wer verbindet schon die Wörter Paradies, Wellness und Erholung mit Recycling? Karin Bertschi, Geschäftsführerin des «Recycling Paradies», tut es. Sie baute die Müllverwertung zu einem Erlebnisort um. Gruppen und Schulen kommen vorbei, ja ganze Familienausflüge führen in ihre Anlage. Denn ihre Innovation war es, alles rund ums Recycling zu einem emotionalen Erlebnis zu machen. Wer zu ihr geht, sieht, riecht und fühlt die Wiederverwertung – und zwar ganz bewusst.

Woher kommen aber ihre Ideen? «99 Prozent meiner Ideen kann man nicht brauchen», gibt die Jungunternehmerin selber zu. «Aber wichtig ist, dass ich immer neue Ideen habe. Und noch etwas: Man muss verlieren können. Nicht jede Idee, die ich für super finde, kommt auch gut an. Das ist die Realität».

Woher sie die besten Ideen hat, kann Karin Bertschi nicht genau sagen. Ihr ungewöhnlicher Lebenslauf – Jungunternehmerin, Soldatin, Grossrätin, Sportlerin und beinahe-Fernsehstar – ist sicher eine Quelle. Aber vor allem der Kontakt mit anderen Menschen ist wichtig. «Ob Kunde, Mitarbeiterin oder einfach andere Leute – alle geben so viele gute Impulse».

Müllverwertung ist natürlich nicht paradiesisch. Aber wenn man utopisch denkt und sich der Realität stellt, kann auch das Recycling zum Paradies werden.


Donnerstag, 12. Januar 2017

Die Realität ist etwas für Menschen ohne Vorstellungen

Ob Start-Up, wachsendes Unternehmen oder internationaler Konzern – gute Rahmenbedingungen sind wichtig für alle. So weit so gut, aber was sind eigentlich gute Rahmenbedingungen? Die gewerbliche Winterkonferenz in Klosters bestreitet einen kontroversen Donnerstagmorgen.

Rasoul Jalali, General Manager Uber Schweiz, macht den Auftakt und stellt klar: «Wir sind da, um Probleme zu lösen. Mit ride-sharing verringern wir Staus, leisten einen Beitrag gegen die Umweltverschmutzung und erhöhen die Lebensqualität der Menschen». Was hat das aber mit Rahmenbedingungen zu tun?

Seine Antwort: «Städte und Länder sollen einmal zuschauen, bevor sie Innovationen regulieren oder gar verbieten». An vielen Orten wird Uber nämlich durch Regulierungen aus dem Markt gedrängt. Störend ist dabei, dass vorher nicht einmal evaluiert wird, welchen Nutzen die Technologieplattform bringt. Klar: Auch neue Unternehmensmodelle müssen sich an Regeln halten. Aber wenn die Regeln Innovation systematisch verhindern, müssten sie doch hinterfragt werden.

«Produktivitätssteigerung muss nicht unbequem sein». Sinniert Olga Motovilova, eine der Gründerinnen des Start-Up Noonee. Ihre Firma stellt einen Stuhl ohne Stuhl her. Das Produkt ist eine Struktur, die an der Hüfte und den Beinen der Menschen angebracht wird. Man muss nur die typische Sitzbewegung machen und schon nimmt diese Struktur eine Form an. Das wird Exo-Skelett genannt. Damit spart man Platz und gewährt individuelle Ruh- und Pausenmöglichkeiten für Mitarbeitende. Und ist erst noch ergonomisch gesund. Kunden von Noonee sind grosse Unternehmen der Industrie. Diese müssen ihre Produktivität steigern und trotzdem für Mitarbeitende attraktiv bleiben.

«Forschung, Bildung und möglichst wenig Bürokratie. Das sind für uns gute Rahmenbedingungen. Ohne die Unterstützung der Schweiz, vor allem der ETH, hätte es uns nicht gegeben» stellt die Noonee-Gründerin fest. Als Student weiss man einfach nicht, was es heisst, eine Firma aufzubauen. Der praxisorientierte Transfer aus der Forschung ist deshalb wichtig. Aber die Firma kann auch nicht überleben, wenn sie sich mit Bürokratie abgeben würde. «Dann würde uns die Lust und wohl auch das Geld ausgehen».

Magdalena Martullo-Blocher, Chefin der Ems-Chemie, ist überzeugt: «Rechtssicherheit, tiefe Steuern und Föderalismus – das sind die Rahmenbedingungen, die wir uns wünschen.» Aber sie warnt auch. Denn nicht alles stehe zum Besten in der Schweiz. Die Politik tut vieles, was direkt oder indirekt diese Rahmenbedingungen verschlechtert.

Probleme bereiten nicht nur neue Regulierungen und mehr Staatseingriffe. Auch der Arbeitsmarkt werde immer weniger flexibel. «Wenn die Regeln starr sind, ist Innovation nicht möglich» urteilt die Nationalrätin scharf. «Die Politik muss Mut haben, nicht zu regulieren. Firmen finden dann schon ein Einvernehmen mit den Mitarbeitenden und den Kunden. Auch das ist Innovation.»

«Rahmenbedingungen sind das eine, aber es ist der Mensch, der im Mittelpunkt stehen muss. Auch bei der Innovation» widerspricht Doris Bianchi, stellvertretende Sekretariatsleiterin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. «Flexibler Arbeitsmarkt bedeutet ja nicht, dass man die Arbeitnehmenden ausnehmen kann».

«Wer Angestellter ist, ist eben nicht Unternehmer. Das ist doch ein bewusster Entscheid, den es zu respektieren gibt. Man kann die unternehmerischen Risiken nicht an die Mitarbeitenden auslagern. » Für Doris Bianchi ist es klar, dass Arbeitnehmende auch in den innovativsten Firmen Rechte haben müssen. Dazu gehört das Recht auf Arbeitssicherheit, auf klar definierten Arbeitszeiten und auf Mitbestimmung. «Auch das gehört zu den guten Rahmenbedingungen».

Gute Rahmenbedingungen sind wichtig. Das ist eine Binsenweisheit. Wie sie sich in der Realität umsetzen lassen…das ist die Kontroverse.

Impressionen vom Besuch der neue Event-Halle

Was hat die ETH mit der Salami zu tun?

Bildung und Innovation gehören zusammen. Das wissen doch alle. Aber wie funktioniert ihr Zusammenspiel ganz genau? Das ist schon die viel schwierigere Frage. Diskutiert wird sie in der 68. Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters am Donnerstagnachmittag.

«Wir betreiben globale Spitzenforschung» ganz unbescheiden ist da Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich. «Viele Firmen, auch KMU, profitieren direkt davon». Sein Beispiel ist die Herstellung von Salami. Die Firma Rapelli unterhält mit der ETH ein Forschungsprojekt zur Verbesserung der Bakterienkulturen, die für jene Wurst essentiell sind. Weitere Kooperationen mit KMU und Start-Ups sind an der ETH auf der Tagesordnung. Und so ergänzt der Professor seine Eingangsaussage: «Die Schweiz betreibt global Spitzenunternehmertum».

Hans Michael Kellner, CEO der Messer Schweiz AG, setzt noch einen darauf. «Die Schweiz hat die perfekte Kombination von akademischer und beruflicher Ausbildung. Und was noch viel wichtiger ist: Die Menschen hier sind sich gewohnt, lebenslang zu lernen». Als Hersteller von Gasen braucht man eben beides: Forschung und Praxis – welche voneinander lernen».

Der Direktor des Schweizerischen Instituts für Unternehmensführung SIU pflichtet ihm bei. «Wir müssen den Mut haben, die berufliche Aus- und Weiterbildung auf ihre Kernkompetenz zu fokussieren. Ja keine Akademisierung». Wie das geschehen kann? «Der Unterricht in Klassenzimmern gehört der Vergangenheit an. Wir unterrichten online mit Lernvideos und in Arbeitsumgebungen».

Im anschliessenden Podium werden weitere Fragen vertieft: Steigen die Ansprüche an Berufsbildung und Akademien? Warum bleiben Technik und Naturwissenschaften Männerdomänen? Wie viel Geld braucht Bildung? SP Nationalrat Aebischer kann nicht alle Fragen beantworten, aber: «ich bin froh, haben wir überhaupt ein Weiterbildungsgesetz. Und ich bin froh, dass die berufliche Weiterbildung dort 400 Millionen Franken erhalten hat. Denn Bildung hört nie auf. Da sind wir uns alle einig».

«Wir müssen Sorge zur Berufsbildung tragen», ruft CVP Nationalrätin Andrea Gmür auf, «denn Berufsbildung integriert. Sie integriert national, weil man gerade in den Ausbildungsjahren auf Wanderschaft geht. Sie integriert sprachlich, weil in den Berufslehrgängen mindestens zwei nationale Sprachen gelernt werden. Und sie integriert sogar ausländische Zuzüger». Ein gelungenes Schlusswort, denn: Die ETH hängt mit der Salami zusammen; genauso wie sgv und Berufsbildung unzertrennlich sind.

Freitag, 13. Januar 2017

Die Regulierung, nicht die EU ist das Problem

Roger Köppel, Jacques de Watteville und Hans-Ulrich Bigler sind sich einig: Mehr unternehmerischer Freiraum ist besser als mehr Regulierung. Handlungsspielraum, Wirtschaftsfreiheit und Eigenverantwortung führt zur Innovation. Aber welche Rolle spielt die Europäische Union darin? Die gewerbliche Winterkonferenz in Klosters diskutiert darüber am Freitagmorgen.

«Der bilaterale Weg ist in seiner heutigen Form problematisch» stellt der Staatssekretär de Watteville fest. «Damit der Marktzugang der Schweizer Unternehmerinnen und Unternehmer zur EU gewährleistet ist, arbeitet der Bundesrat an einem Rahmenabkommen mit der Union. Dieses Abkommen soll beiden Seiten Vorteile bringen».

Der EU-Chefunterhändler der Schweiz erläutert wie wichtig dieser Marktzugang ist: «Unser Handelsvolumen mit Baden-Württemberg ist so gross wie jenes mit China. Und China ist der drittgrösste Handelspartner der Schweiz. In kaum einem anderen Land leistet der Aussenhandel einen so wichtigen Beitrag an die nationale Wertschöpfung».

Der Direktor des sgv und FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler greift diesen Faden gerne auf. «Wenn man Marktzugang zur EU will – und wir wollen das – muss man gewisse Harmonisierungen in Kauf nehmen. Aber gerade deswegen dürfen swiss-finish, vorauseilender Gehorsam und regulatorische Einzelgänge der Schweiz nicht stattfinden». Der Umgang mit der EU und ihrer Regulierung muss pragmatisch sein. Denn Regulierung engt Unternehmen ein und erstickt Innovation im Keim.

Jede Regulierung muss ein Preisschild tragen. Dieses Preisschild muss von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. Und wenn der Preis zu hoch ist oder die Regulierung mehr als 10'000 Firmen betrifft, dann muss sie im Parlament dem qualifizierten Mehr unterliegen. Das ist die Regulierungskostenbremse, die der sgv will.

Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der Weltwoche und SVP-Nationalrat ist noch viel skeptischer. «Rahmenverträge mit der EU bedeuten automatische Übernahme der EU-Regulierungen. Rahmenverträge mit der EU sind Unterordnungs- und Unterwerfungs-Verträge».

Führt aber Harmonisierung der Regulierung nicht zu weniger Belastung für Unternehmen? Ja, natürlich. Das Problem – laut Köppel – ist aber: Die EU ist eine Regulierungsmaschine. Sämtliche Vorteile der Harmonisierung gehen im immer dicker werdenden EU-Regulierungsdickicht verloren.

Das Land der Erfinder und TĂĽftler

Der krönende Abschluss der 68. Gewerblichen Winterkonferenz am Freitagnachmittag war die Erfindershow mit Gion Mathias Cavelty. „Die Schweiz ist das Land mit den weltweit meisten Patentanmeldungen pro Kopf, das Land der Erfinder und Tüftler“, begrüsste der Bündner Schriftsteller und Kabarettist das Publikum. Mit insgesamt 7088 Patenten gehöre die Schweiz zur Weltspitze. In seiner witzigen und abwechslungsreichen Unterhaltungsshow stellte Cavelty die drei innovativen Erfinder Rolf Senti, CEO Swiss Eco Line, Patrick Mayer, Firmeninhaber Wheelblades, sowie Patrick Künzler mit seinem Limbic Chair vor.

Rolf Senti, CEO und Designer von Mango Sasse Mobile und Swiss Eco Tap entwickelt seit Jahren unter der Linie Swiss Eco Line nachhaltig energie- und wassereffiziente Bad- und Wellnessprodukte. Mit der Lancierung von Swiss Eco Tap beweist der Graubündner seine Innovationskraft für nachhaltige Produkte. Dafür erhielt er 2015 vom Bündner Gewerbeverband den Innovationspreis. Der Erfinder Patrick Mayer ist seit seinem Sportunfall im Jahr 2000 inkomplett querschnittgelähmt und auf Gehhilfen und Rollstuhl angewiesen. Als leidenschaftlicher Wintersportler und Landschaftsfotograf möchte er maximale Mobilität und Flexibilität zu jeder Zeit. Da es für ihn auf dem Markt keine entsprechende Lösung gab, entwickelte er die Wheelblades Produkte selbst.

Sie werden seit 2012 in Serie in der Schweiz hergestellt und tragen das „Swiss Label“. Auszeichnungen wie der Red Dot Award, der Good Design Award und der German design Award sprechen für das hohe Mass an Funktionalität, Design und Qualität. Patrick Künzler will das Sitzen revolutionieren. Deshalb haben er und seine Firma Inno-Motion den Limbic Chair vor vier Jahren auf den Markt gebracht.

GemĂĽtlichkeit und Networking

Mit einer Kutschenfahrt durch das winterliche Klosters auf die Alp Garfiun – gesponsert von SWISS LABEL - klang der Abend aus. Dabei konnte bei einem feinen Fondue nebst der Gemütlichkeit auch das Netzwerk der KMU-Wirtschaft gepflegt werden.


Referate / Präsentationen

Mittwoch, 11. Januar 2017

Utopie macht Umsatz - Gerriet Danz, Innovationsreporter und Erfolgsautor, Hamburg - Osborn Checkliste (PDF)

Donnerstag, 12. Januar 2017
  • Noonee AG, Beine aus Carbon - Olga Motovilova, startup-GrĂĽnderin - Präsentation (Powerpoint / PDF)
  • Schweiz – innovativ, weltweit erfolgreich - Magdalena Martullo-Blocher, Unternehmerin EMS-CHEMIE, Nationalrätin SVP - Präsentation (Powerpoint / PDF)
  • Die Sicht der Gewerkschaften - Doris Bianchi, Stv. Sekretariatsleiterin Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB - Referat (PDF)
  • Innovation – welche Anforderungen stellt die Wirtschaft? - Dr. Hans Michael Kellner, CEO Messer Schweiz AG - Präsentation (Powerpoint / PDF)
Freitag, 13. Januar 2017

EU – MEI – Rahmenabkommen: Stand der Dinge - Staatssekretär Jacques de Watteville - Referat (PDF)

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